über mich


1972-Es war ein Tag wie jeder andere. Das Wetter war wie immer und die Umstände, die diesen Tag voraus gingen waren auch nichts Besonderes.

Der Ort des Geschehens, ein Gemälde von Paul Rotterdam, mit sehr viel Grauanteil gemischt mit etwas Ruß aus den Kohlekraftwerken des Arbeiter und Bauernstaates.

Der Name des Ortes, Hohenmölsen, oder wie die Ureinwohner sagen würden, Mälsen.

Plattenbauten, die Bauhausvariante bzw. die minimalistische Glanzleistung des realexistierenden Sozialismus waren das vorherrschende Stadtbild in meinen Geburtsort, so wie im Rest der Republik.

So sah er aus, mein großer Auftritt, der Tag meiner unfreiwilligen Landung auf dem Planeten Erde.

Ich wurde in die Welt gepresst und eine Rückkehr war unmöglich.

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wirklich wissen,  was mich hier im Ameisenhaufen der Egozentriker erwartet.

Ansonsten hätte ich wahrscheinlich die Verpressung in die neue Welt mit ein wenig mehr Zurückhaltung und Skepsis in Augenschein genommen, oder mir im Mutterleib zum ersten Mal in die imaginäre Hose geschissen.

Nun ja, wenn ich nun schon einmal mit meiner Anwesenheit glänzen konnte,  würde ich die Zeit auch nutzen,  die mir gegeben wurde.

Mit Geplärr, wohlriechenden Hinterlassenschaften und einer umfangreichen Leibesfülle.

Eine Kugel auf zwei Beinen, die sich anschickte das Rollen zu erlernen.

Meine Eltern eher als planlos einzustufen, wussten im ersten Moment wahrscheinlich nicht was sie mit dem Produkt ihrer Triebe anfangen sollten, aber wie das so ist, man gewöhnt sich an alles.

Meine Mutter war eine sehr schöne Frau, die mich 9 Monate mit sich herumschleppen musste und nun vor dem enormen Produkt ihrer eigenen Gebärlichkeit stand, das sich erdreistet hatte, sie in einen unförmigen Marshmallow zu verwandeln.

Mein Vater, ein schöner Mann, im Geiste und im Aussehen Jim Morris gleichzusetzen, war Musiker in einer Band.

Beide haben mich wohl eher als störenden Realismus wahrgenommen, der ihre Träume platzen ließ.

Als einen Störfaktor, der sie aus ihren Träumen riss und sie dazu zwang, eine feste Bindung einzugehen.

Die ersten sieben Jahre meines Lebens verbrachten wir in Queisau, ein kleines Dorf in den Tiefen der Sachsenanhaltinischen Taiga.

Es war ein Leben zwischen dem Tagebau und LPG Genossenschaften.

Wir hatten eine etwas feuchtgeratene Wohnung, und dem Sozialismus sei Dank, ein Plumpsklo in der Mitte des Hofes für alle Mieter.

Wenn ich im Dunkeln auf das Klo gegangen bin, habe ich immer daran gedacht, wie das ganze aus dem Blickwinkel einer nach oben schauenden Ratte ausschauen mag.

Vielleicht hat das ja meine Sichtweise auf die Welt entscheidend geprägt.

Dieser Abschnitt meiner Kindheit, in der die Ratten und viele weitere Faktoren meine Grundstruktur geformt haben, war die grundlegende Prägephase meines Lebens.

Danach rollte meine  Lebenskugel durch die Zeit über die Berge und Täler der Schule.

Da meine Phantasie meinen Intellekt um Jahre voraus eilte, kam mir in der vierten Klasse, also mit zirka 10 Jahren eine Idee.

Dieser aus meiner damaligen Sicht, sehr vielversprechender Gedanke fußte in einem Ausreißversuch über Jugoslawien.

Nach kürzester Zeit wurde ich meinem Elternhaus wieder zurückgeführt.

Danach rollte ich weiter über viele Hindernisse und den Schulabschluss an der Otto Schlag Oberschule hinweg, direkt in das tiefe Loch der Wismut.



Die Wismut muss man erklären. Sie war die Uranschmiede der Deutschen Demokratischen Republik und wir haben, das versteht sich von selbst, das Uran ausschließlich für den Frieden abgebaut.

Jeden Tag sind wir griesgrämig, verkatert und müde eingefahren und nach der Schicht, strahlend wieder an die Oberfläche unserer begrenzten Welt zurückgekehrt.

Das tollste war, das man mir die Möglichkeit einräumte mit Sprengstoff zu spielen.

Meiner Phantasie sei Dank, habe ich mir natürlich vorgestellt etwas in die Luft zu jagen.

Ich habe etwas Sprengstoff in meinen Stiefeln mit ans Tageslicht geschmuggelt und eine Mülltonne in die Luft gejagt.

So sind die zwei Jahre Internat bei der Wismut in Gera gerade zu verflogen.

Gott sei Dank kam kurz vor dem Ende meine Lehrjahre der Mauerfall.

Ich fand eine Presche in der Berliner Mauer und schlüpfte das erste Mal hindurch.

Da meine Vorstellungskraft im Laufe der Zeit im Verhältnis zu meiner Orientierungslosigkeit immer weiter angewachsen war, stellte ich mir vor wie es wohl wäre, für immer in den wilden Westen zu gehen um dort nach Gold zu suchen.

Das tat ich dann auch, leider 3 Monate vor meinem Abschluss im Uranbergbau.

Was meine gequälten Eltern mal wieder kurz an den Rand des Wahnsinns trieb, aber zum Glück hatten sie noch ein klein wenig ihres regulierenden Einflusses in Bezug auf mich erhalten und machten diesen geltend.

Also schloss ich meine Lehre regulär ab und ging danach, mein Kopf voll der großen Erwartungen, nach Nürnberg.

Wo ich mit so wenig Aufwand wie nötig und so schnell wie möglich, Millionär werden wollte.

Das lief wie soll es anders sein, nicht genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Ich kam mit dem Gesetz in Konflikt, war beteiligt an einer Schießerei, heiratete meine erste Frau, entwickelte ein Roulette System und zog von einer abstrusen Bleibe in die nächste.

Zwei Jahre später, pleite, verschuldet und krank, bin ich mit eingeknickten Schwanz wieder in den Osten zurück gekrochen.

Heute weiß ich, dass damals eine entscheidende Weiche gestellt wurde, eine Weiche die meine Lebenskugel in eine neue Richtung gezwungen hat.

Einer durch Infragestellung erzwungenen Neuorientierung, von der ich damals noch nichts ahnte.

Im Kollektiv des etwas desorientierten Ostens, fiel meine Orientierungslosigkeit nicht weiter auf, ich gab mich mit Mittelmäßigkeit zufrieden, tat das was alle taten und Lernte einen weiteren Beruf, dessen Realismus im abgestorbenen Sozialismus von Anfang an keine wirkliche Orientierung für mich und meine Zukunft beinhaltete.

Das einzig erwähnenswerte ist, das ich in dieser Zeit den Menschen begegnet bin, der mein Leben bis heute mit bestimmen sollte.

Der Liebe meines Lebens.

Das ich noch am Leben bin verdanke ich ihr, die Zeit die ich geschenkt bekam um mich über die katalysierende Wirkungsweise meiner Kunst persönlich weiterzuentwickeln habe ich auch der Frau an meiner Seite zu verdanken.

Die von ihr in mich investierte Verbundenheit und ihr unumstößliches vertrauen in mich lässt mich dankbar auf diese Beziehung zurückschauen und ich möchte diesem Menschen und der Leistung die sie für mich erbracht hat um jeden Preis gerecht werden. 

Danach sind wir ein zweites mal in Richtung Westen aufgebrochen, dieses Mal in die Universitätsstadt Erlangen.

Dort angekommen war ich von dem Gedanken beseelt, nicht noch einmal zu scheitern.

Mein Lösungsansatz war, mich anzupassen.

Das zu tun was nötig ist, um Geld zu verdienen.

Leider oder zum Glück hat sich das Ganze für mich leer angefühlt, ich habe mir sehr oft die Frage gestellt, ob es das ist was ich mit meinen Leben anfangen will und die Antwort war immer die gleiche.

Nein.

Nachdem der Druck etwas Sinnvolles mit meinen Leben anzufangen so groß geworden war das ich ihn nicht mehr standhalten konnte, kam der zweite gesundheitliche Absturz.

Nachdem ich mich nach einigen Jahren wieder erholt hatte, suchte ich das Heil in der Flucht.



Verbrachte ein Jahr in der Wüste von Jordanien, kroch durch den Dschungel von Guyana, paddelte den Colorado herunter.

Ich suchte nach etwas, nur wusste ich immer noch nicht was.

Die letzte Flucht führte mich nach Australien. Diese Reise sollte mich auf einen neuen Gedanken bringen und zwar, das auch das Reisen, wenn es nicht mit einem Ziel, einen tieferen Sinn einhergeht, als Lebensinhalt nicht taugt.

Ich brach diese Reise, die ein halbes Jahr dauern sollte ab und kehrte nach Hause zurück.

Danach kam der schlimmste und letzte gesundheitliche Absturz, auch diesen habe ich überlebt.

Und endlich fand ich das was ich immer gesucht hatte.

Die Kugel fand ihr Ziel und das mitten in mein Herz.

Denn zurück im Leben, fand ich auf der Suche nach einer Ausdrucksform mich selbst in der Kunst.

Vorsichtig tastend, ungeübt und ohne Vertrauen in meine kreative Kraft, eigentlich nur um etwas Zeit tot zu schlagen, tat ich einfach das was ich als Kind schon gern und ausgiebig getan hatte.

Ich fing damit an ein paar Portraits, die ich auf meinen Reisen fotografiert hatte, abzuzeichnen.

Das war mir nicht genug, also fing ich an mit den Formen zu spielen.

Dadurch wurde in mir etwas geweckt, etwas das schon die ganze Zeit in mir geschlummert hatte und keine Möglichkeit gefunden hatte, sich zu entfalten.

Dieses erstmalige Ausleben meiner Ideen ließ einen schöpferischen Funken in mir entstehen, der die Lunte einer Bewusstwerdungsbombe in Brand steckte.

Eine Kreativitätsexplosion, exponentiell, allumfassend durchdringt sie bis heute mein gesamtes Leben.

Sie hat mir Inhalte und Zielsetzungen aufgezeigt.

Sie hat mich meine innewohnenden konzeptionellen und existenziellen Grenzen verschieben lassen.

Sie hat mir gezeigt, was Leben bedeuten kann, sie hat mir die Augen geöffnet.

Meine Kunst ist für mich zu einem meine Grenzen überschreitendes Werkzeug geworden, mit deren Hilfe ich mich weiterentwickeln kann.

Sie umschließt mittlerweile mein gesamtes Sein.

Weiter und weiter rollt die Kugel meines Lebens, bis an den Rand meiner Welt,

einer Welt die ich versuche zu ergründen um neue Ideen, Leidenschaften, Bilder Skulpturen und Installationen zu entzünden.

Ich erschaffe meine ganz persönliche Kunstgeschichte.

2020 habe ich meinen ersten Kunstpreis gewonnen.

Ein Gefühl der Erleichterung, eine Last viel von mir ab und obwohl ich meine Freude wegen der in vielen Jahren herangewachsen Unsicherheit in Bezug auf mein künstlerisches Schaffen, nicht wirklich zeigen konnte, habe ich mich sehr darüber gefreut.

Dieser erste Preis beinhaltet für mich, die gesellschaftliche Anerkennung als Künstler.

 



Biographische Notizen

 

Am 30. März 1972 wurde ich im anhaltinischen Hohenmölsen (Kreis Weißenfels) geboren. Dort verbrachte ich Kindheit und Schulzeit. Dem Elternhaus waren künstlerische Aktivitäten nicht fremd, ich nahm sie auf und begann früh zu zeichnen. Jedes leere Blatt Papier war für mich eine Herausforderung! Dennoch gewährten die gesellschaftspolitischen Bedingungen in der ehemaligen DDR keine nennenswerten Förderungen meines Talentes. Ich musste mich in den Lehrberuf eines „Facharbeiters für Uranbergbautechnologie“ einfügen, den ich ordnungsgemäß abschloss und kurzzeitig ausübte. Ganz entgegen meinen inneren Neigungen, es war mir ein wesensfremder Beruf. Die Wende Jahre brachten bezüglich der künstlerischen Weiterentwicklung eher Verunsicherung. Eine Bewerbung in der Kunsthochschule in Leipzig 1991 fand kein Echo. Es blieb mir nur der autodidaktische Weg, den ich nach Jahren des Suchens dann aber ernsthaft und konsequent beschritt. Heute fühle ich das ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Ich habe meine Handschrift gefunden. Zur Zeit arbeite ich an Themen, die die Welt und mich widerspiegeln die mich umgibt. Meine Bilder sind keine schnellen Bilder. Im Schnitt benötige ich 1 bis 8 Monate für ein Bild und ich zeichne jeden Tag 5 – 8 Stunden. Ihre Inhalte fordern vom Betrachter geduldiges Schauen und sich vertiefen, Fantasie und Sinn für das Ganze.


Die Inselchronik

 

Ein Herbsttag, wie ich keinen sah“,

Der Rückzug aus der Geschäftigkeit,

er war noch nah, das Herze leer, und was geschah,

bestimmte manches künftige in der Gedankenwelt.

 

Der Tommy Kny auf besonnter Bank,

Darüber blaues Himmelszelt,

Oktoberlicht, ganz unverstellt.

Der Bankgast inhaltsblank.

 

Man plauderte bald dies, bald das,

besonders über Bilder,

bis das die Neugier kräftig fraß:

Was malt denn der? Ist das denn was?

Ist`s künstlerisch, sind`s Schilder?

  

 

Irgendwann (zum Winterausgang?) schmolz nicht nur der Schnee, sondern auch die eigene Lethargie, machte dank Tommy wieder einer gewissen Neugier am Leben Platz und es kam zur ersten Begegnung mit Tommys Bildern.

 

Themenbewegt. Sensibel die Zeichen.

Grautöne wandern von Weiß nach Schwarz.

Scharf die Konturen, andere weichen

Der Schärfe, changieren wie Quarz.

 

Visionen und Menschen durchgeistern die Bilder,

geben den dunkleren Kräften Gestalt,

ufern aus, sezieren wie Filter

Probleme der Welt, die Macht, die Gewalt.

 

Sehr eigen das Oeuvre, subtil läuft der Stift,

Auge und Hirn sind verdammt, zu erkunden,

was antreibt die Hand, was Sinnesdrift

schöpfend hervorruft: an Staunen, an Schrunden…

 

Ja, Tommy zeichnet mit unermüdlicher, selbst zermürbender und unübertroffener Akribie Botschaften; und garniert die Bilder zusätzlich mit Worten, als reiche ihm der Zeichenstift noch nicht aus.

 

Eine helle Gegenwelt erschließt sich dem Betrachter, wenn er den Laptop einschaltet und in seine Reisen redeströmt, lebensglücklich zurück taucht. Dann leuchtet unsere Erde bunt, heiter, aufgeräumt – selbst starrende Wüstenszenarien erscheinen noch verlockend, berauschen den vom Fernweh Geplagten…(ihn oder den Schaugast?)

 

Glücklich – sinnliches Szenario in Fotos; und der nicht ganz ungeübte Beobachter fragt sich nach einer Weile: Wohin neigt die Seele des Kreators?

Gehört sie seinen eigenen Bildern oder seinen Ablichtungen, die so seltsam kontrastieren?

Oder beiden?

Schimmert da etwa Goethes allzu bekanntes Zwei-Seelen-Modell durch?

 

„Kennst du schon die Bilder vom Fluss“ Eines Tages erscheint im Laptop eine Dia Serie von ganz eigenem Reiz – obgleich überraschend nah und ganz ohne das Flair des Exotischen. Aber – wie sich später herausstellt – von tiefer Wirkung. Zum ersten Mal begegnet der Chronist „virtuell“ einem kleinen, nur mühsam aufzufindenden Paradies: Schlicht eine Insel.

Für den sonnigen Frühsommer wird sie zur „Drehscheibe“ eines Gedankenaustauschs, wie man ihn lebendiger sich nicht vorstellen kann – so jedenfalls gesehen aus der Rückschau…

 

Nancy

 

Nancy, wenn sie kommt, hört man sie nicht; wenn sie geht, entschwebt sie.

Dem zeichnenden Künstler ist Nancy wohl seit langer Zeit anvertraut:

Eine zunächst still und zurückhaltende Frau. Später merkt man, dass sie auf ihre Weise sehnend und unaufdringlich anwesend durch die Welt geht – mit liebevollen Augen, die beobachten; und authentisch in andere Augen blicken. Mehr noch: Nancy ist eine mit den Augen kommunizierende Person!

Auf der paradiesischen Insel gibt Nancy berufshalber nur Gastrollen – tiefergehende Beobachtungen bleiben folglich bruchstückhaft. Von Seltenheitswert, daher besonders anrührend, die Situation, der Zweisamkeit beiwohnen zu dürfen.

 

Der Fluss

 

Er heißt Regnitz. Völlig undramatisch strömt er dahin durch eine weite Tal Aue, eingesäumt von satten Wiesen, am “Paradies“ etwa fünfzehn Meter breit. Tommy spricht übrigens nur „vom Fluss“ – und es schwingt so etwas wie „mein Fluss“ darin.

Um das meist sandige Bett zu überqueren, müsste man nur in einer heftigen bewegten Mittelrinne schwimmen können. Die Uferböschungen sind mit üppiger Blattvegetation bewachsen, das östliche Ufer steiler und höher, als das westliche. Zum „Paradies“ steigt man nicht direkt hinunter, sondern ca. 30 Meter weiter nördlich, um dann in Rückrichtung watend den ursprünglichen uneinsehbaren Ort zu erreichen.

War Tommy die Leitfigur des Sommers am Fluss, so war dieser selbst das Leitmotiv.

Dieses Motiv trägt mich, seinen Bewegungsimpuls in sich, will sich entfalten und verästeln.

 

O Fluss! Tausendfach besungen!

Dein Spiegel schaut den Himmel, ist Grenze von Welten.

Dein Fließen Symbol der strömenden Zeit.

 

Ich schau dir nach, schau dir entgegen.

Du hörst nicht auf – gleichst aber dem Leben;

Stillstand dein feind, kennst keine Gegenwart.

 

Bewegst viele Räder. Doch die stehen fest

Und schöpfen das immer Neue aus dir.

Erträgst es geduldig, machst den schauenden weit.

 

Entfalten und verästeln: Das taten die Gedanken zwischenzeitlich bis hinunter an die südfranzösische Mittelmeerküste. Dort überspülten seine Gesprächsbilder das Wellengeplänkel des Meeres, souverän, fast selbstherrlich.

 

Der Fluss allein war Zeuge nahezu unzähliger Gespräche zweier Menschen, die sich zufällig begegneten und trotz erheblichen Unterschieds im Alter eine Basis des gegenseitigen Zuhörens fanden. Schweigend nahm der Fluss diese Gespräche auf, trug sie weiter nach Norden, um sie irgendwo im sandigen Bett oder in grünen Rispen zu verlieren.

 

Das schönste daran sind die  angestoßenen Gedanken in der späten Sonne des Tages, die gelb zum Gegenufer wandert, das Wasser dunkel, den Himmel tiefblau verfärbt und lange Schatten auf Bäume und brauner Haut gelegt. Momente der die nie enden sollten …

 

Tommy

 

Unbestrittener Hauptdarsteller in diesem sommerlichen Fluss-Intermezzo. –Vorneweg:

Wer Tommy zu kennen meint, irrt sich gewiss, kennt ihn noch lange nicht. Lässt sich fesseln von seinen charismatisch-einnehmenden Wesen. Darf aber auf Überraschungen gespannt sein, auf eine komplexe Persönlichkeit. Auf eine Persönlichkeit – und einen „lieben Kerl“ dazu. – Dies alles andere als ein Werteurteil; und wäre es eines, der namentlich genannte hätte es nicht zu fürchten!

 

Tommy zu begegnen macht den auf Menschen Neugierigen neugierig. Verwirrt ihn. Überzeugt ihn wieder – ein Wechselspiel der Wahrnehmung! – in dieser ebenso sympathischen wie irisierenden Polarität ist ein erstaunliches Potential geborgen (verborgen), das es weiter zu entfalten gelte: Menschliches Potential und künstlerisches obendrein.

 

Mit Tommy stundenlag auf der besonnten Flussbühne zu liegen (Bregenz „en Miniature“ lässt grüßen!) ist keinesfalls eine schweigsame Angelegenheit, ist mitnichten langweilig; ist ein Zuhör- und ein zuseh-Fest. Er geht auf jedes Thema ein, weiß selbst zu erzählen aus Büchern, von Reisen in ferne Länder, von glücklichen und unglücklichen Zeiten, von Wissenschaft und Technik, von Computern, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz, von Entropie  und… und … - nur der Anfang einer Liste!

 

Er stellt Fragen, viele Fragen, stellt sich, mich und alles andere in Frage – wer tut das heute noch? Oft verkürzt er einen „Ausholer“ so: „und wo ist die Frage?“ – Er hört zu, wenn das Gegenüber seine verbalen und gedanklichen Steckenpferde reitet, zumindest ein Weilchen.- Es sind eher substanzielle Themen über Leben und Tod, Zukunft, Religion oder Philosophisches haben Raum- manchmal auch Musik…

 

Nein, Schweigestunden gibt es so gut wie nie auf der Insel. Es sei denn, der Floßeigner ist gerade nicht geneigt, zu antworten. Dann bleibt eine Frage, ein Angebot wie ungehört im „Raum“ hängen, noch nicht einmal des Achselzuckens oder Kopfschüttelns wert.-In solchen Situationen fühlt sich der sensibilisierte Sommergast als störender Eindringling – wie seltsamerweise meistens bei der Räumlichen Überschneidung mit Tommy.

 

Durchquere die Wiese über dem Ufer:

Ein einsam abgestelltes Fahrrad – steuere es an.

Dahinter ein Durchblick – abwärts zum Wasser,

auf der Insel ein Mensch, nackt und versunken.

 

Dem aufmerksamen Beobachter erscheint Tommy zunächst einmal als sicherer, sinnlicher Genießer, der halt aus dem „Bauch“ heraus lebt, vielleicht auch so entscheidet. (Aber wie gesagt: man kann, man wird sich irren!). Skizzierter Eindruck resultiert aus gewissen Extravaganzen, die man wahrnimmt. Ob „geschnitzte“ steinerne Figuren dazu zählen, mag noch dahin gestellt sein. Andere ästhetische Gefälligkeiten sind offenkundiger: in Kleidung, Habitus und „Körperlichkeit“ zum Beispiel.

Zu solchen ist in der Regel eine todsichere „Nase“ für schöne Dinge nötig – und die hat er ohne Zweifel. Freilich sind „schöne Dinge“ ein relativer Begriff – nicht aber, wenn der Beobachter zu seiner Überraschung eine auffallende Kongruenz mit seiner eigenen ästhetischen Ausrichtung wahrnimmt. Das schafft ein Gefühl stummen Einverständnisses mit dem Gegenüber, eine Art „Beheimatung“… So empfand es der Chronist.

 

Anders als bei Frauen ist die „Attraktivität“ von Männern sehr unterschiedlich definiert, oft auch umstritten. Wenn dazu sportliche Trainiertheit zählt, ein natürlicher Sinn für Körpersprache, schlanke Größe, eine sprechende Mimik und charmant - gefälliger Umgang, dann ist der Künstler wohl ein attraktiver Mann; die Vermutung liegt nahe, er sei bestens geeignet, dem Ur-Blick einer Frau nach „potenter“ Sicherung der Nachkommenschaft zu genügen.

 

Dieses Prachtbild jedoch ändert sich, wenn er in Selbstzweifeln und tödlichen Weltzweifeln versinkt. Dann begegnet man seinen „Schatten“; möchte ihn umarmen und ihm sagen: Komm‘ wir suchen für dich einen hilfreichen anderen Weg. Du bist zu wertvoll für den Rückzug aus der Welt! Gelegentlich hört man, dass „schöne“ Menschen im Leben bevorteilt sind. Es ist nicht auszuschließen, dass diese empirisch ermittelte These auf den einen oder anderen Menschen zutrifft, nicht bei Tommy.

 

Antinomisch (und psychologisch interessant) auch die folgende Beobachtung: die kleinen Eitelkeiten, die jeder Mensch mit sich herumträgt, sind normalerweise nach außen gerichtet; haben einen oder mehrere „Adressaten“. Ganz anders als unser „Künstler“ auf seiner Bühne! Er scheint der Öffentlichkeit eher zu entfliehen, bewegt sich nahe an der Grenze zur Selbstisolation.

 

Wie auch immer: das Abenteuer „Mensch“ wäre keines ohne die kleinen Abweichungen vom Prototyp „Mensch“, ohne die paradoxen Stübchen, die nicht zur strahlenden Fassade eines „Tempels“ passen wollen.

Tommy passt nicht zu den Gestaltern der „glänzenden Tempel“ der Gesellschaft, er ist sein eigener „Gott“…

 

Was ist Begegnung? Was schafft Begegnung?

Wo liegt der Sinn einer solchen Segnung?

Warum nicht Abstand, nicht Ignoranz?

Steht nicht am Ende nur Larmoyanz?

 

Freundschaften schließen, vertrauen gewähren

Gilt wohl als fundamentales Ernähren

Dessen, was Menschen gekrönt erhebt.

Keine Begegnung – wer hat schon gelebt?

 

Dennoch beweist die gelebte Erfahrung,

dass in der flüchtgen Begegnungsverbindung

wenig an Zukunft liegt, kaum ein Bestand.

Begegnung zerrinnt, ist zur Trennung verbannt,

ist langfristig in Trennung verbrannt.